Donnerstag, 8. Januar 2015

Das Orchideen-Paradies Naturschutzgebiet Möttbachtal
Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger / CID Institut 25. Mai 2015


Aus der Sicht des Naturschutzes "schützenswert" sind fast alle nicht intensiv land- oder forstwirtschaflich genutzten Naturräume Weilmünster, doch stehen nur wenige Flächen unter dem offiziellen Attribut "Naturschutzgebiet" und unterliegen damit besonders definierten Auflagen und Pflegevorschriften, um so den Weiterbestand besonders seltener oder gefährdeter Tier- und Pflanzenarten bzw. Lebensgemeinschaften zu garantierten. Eines dieser abgegrenzten Gebiete ist das "Naturschutzgebiet Moettbachtal" zwischen den Weilmünsterer Ortsteilen Dietenhausen und Moettau. 


Die Große Glatthafer-Wiese im Naturschutzgebiet Moettbachtal beherbergt den einzigen großflächigen Orchideen-Bestand Weilmünsters


Seit dem 28. November 1988 stehen die 17,45 Hektar des von ausgedehnten Waldflächen umrandeten Wald-Wiesentales unter Naturschutz. Grund hierfür böte schon alleine das wertvolle, von Verkehrswegen ungestörte Landschaftsbild aus Auwald, Feuchtwiesenflächen (Mädesüßfluren, Großseggenried, Rohrglanzglasflur, Flutsüßgrasbeständen, Glatthafer- und Sumpfdotterblumenwiesen) und Laubholz-Waldrandgesellschaften, auf und in denen 58 besonders zu schützende Tierarten leben. Auch 3 Rote-Liste-Pflanzenarten sind hier registriert. Besonders geschützt sind hier die Orchideen-Bestände der großen Glatthaferwiese, die nur in der zweiten Hälfte des Monates Mai für aufmerksame Naturkundler während ihrer kurzen Blütezeit sichtbar sind, sowie die Sumpfdotterblumenwiesen, die dank ihrer fast ganzjährigen durch Bodenfeuchte bedingten Unzugänglichkeit ebenso wie die Orchideen in den letzten 10 Jahren ihre Wuchsareale bemerkenswert ausdehnen konnten.   


Bemerkenswert dichter und auffallend individuenreicher Orchideen-Bestand im Naturschutzgebiet Moettbachtal zur Haupt-Blütezeit am 23. Mai 2015



Das von den auf der folgenden Kartenabbildung von den blaumarkierten Linien begrenzte Schutzgebiet hat eine Gesamtlänge von 2,4 Kilometer. Grund für den naturnahen Zustand ist die Aufrechterhaltung der historischen Auen-Nutzung mit extensiver Mahd ohne künstliche Nährstoffzufuhr durch Düngung. Teilbereiche des Grünlandes liegen vollkommen brach und in der Umgebung des Überschwemmungswaldes mit heute 2 größeren, künstlich angelegten und mehreren kleineren, natürlichen Teichen wird durch naturnahe gärtnerische Gestaltungsmaßnahmen die Ausdehnung wertvoller Lebensräume gezielt gefördert. 



Verlauf des Waldtales "Naturschutzgebiet Moettbachtal" parallel zur B 456 zwischen Moettau und Dietenhausen. Nördliche und Südliche Schutzgebietsgrenze sind durch blaue Linien markiert. Der Verlauf der seitlichen Gebietsgrenze entspricht ungefähr dem Waldrand entlang des Wiesentales.


Um Mißverständnissen vorzubeugen: die Teiche des Naturschutzgebietes sind nicht identisch mit dem Moettauer Weiher, der als Wasservogelschutzgebiet weiter nordwestlich, auf der anderen Seite der Ortschaft Moettau im selben Flußtal liegt. Vielmehr wurden sie lange vor der formellen Ausweisung des Naturschutzgebietes künstlich im Tale angelegt und dienten ursprünglich nur der Fischzucht, heute aber vermehrt auch der Ansiedlung und Vermehrung von anderen Tierarten durch private Artenhilfsprogramme. 




Blühende Orchidee der Gattung Dactylorhiza im NSG Moettbachtal am 23. Mai 2015


Die Orchideen als die "eigentlichen Juwelen" des Schutzgebietes zu bezeichnen ist zwar verführerisch wegen der faszinierenden Schönheit und Blütenpracht dieser Stauden, doch würde eine solche Titelvergabe den unzähligen weiteren Pflanzenschönheiten wie Wasserlilien, Sumpfdotterblumen, Kuckucks-Lichtnelken, Gamander-Ehrenpreis, Schlangenwurz und Igelkolben - um nur einige zu nennen und welche nachfolgend noch erwähnt werden sollen, nicht gerecht werden. Doch soll die kurze Betrachtung der Orchideen hier vorangestellt werden, da sie besonders selten und empfindlich sind.

Als allererstes stellt sich Biologen und botanischen Laien zumeist die Frage, um welche Orchideen-Art es sich bei der betrachteten Pflanze exakt handelt. Die Klärung dieser Frage ist nicht immer problemlos zu bewältigen, da es immer häufiger vorkommt, daß Einzelpflanzen Bestimmungsmerkmale mehrerer Arten in sich vereinigen oder "vermischen". Man spricht dabei in der biologischen oder gärtnerischen Fachterminologie von Hybridisierung, Hybrid-Bildung oder der Entstehung von Hybrid-Arten, also Mischformen biologisch exakt abgegrenzter bzw. beschriebener Arten. 

Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine Orchidee der Gattung Dactylorhiza, also der Knabenkrautgewächse, mit hoher Merkmalsähnlichkeit zum "Gefleckten Knabenkraut" Dactylorhiza maculata. Hierfür sprechen zum Einen die blau-violetten Punkt- und Strichmuster auf den beiden abwärts gerichteten Lippen jeder Einzelblüte des Blütenstandes - auch wenn diese von Pflanze zu Pflanze variieren - sowie die dunkle Fleckenmuster-Zeichnung der untersten Stengelblätter, die allerdings bisweilen entweder fehlt oder aber sehr unterschiedlich intensiv ausgeprägt ist. Das Blattflecken-Muster als Bestimmungsmerkmal teilt sich das Gefleckte Knabenkraut zudem mit dem Männlichen Knabenkraut, dem Breitblättrigen Knabenkraut und dem Fuchs-Knabenkraut.



Vergleich der Blüten-Lippen-Zeichnungsmuster von Einzelblüten der Blütenstände von 4 verschiedenen Pflanzen des Bestandes von Dactylorhiza maculata im NSG Möttbachtal am 23. Mai 2015



Vergleich der Blatt-Tupfen-Variabilität von Stengelblättern an 5 Einzelpflanzen des Bestandes von Dactylorhiza maculata im NSG Möttbachtal am 23. Mai 2015



Unabhängig von der Fragestellung der exakten Artbestimmung ist aber die Entdeckung, daß im Vergleich zur Situation in den Jahren 2005 bis 2007 sowohl die Anzahl der gesichteten Einzelpflanzen als auch die Fläche des Verbreitungsareales der Orchideen deutlich vergrößert hat. So wachsen im Mai 2015 auch Dactylorhiza maculata-Pflanzen in größerer Zahl am westlichen Ufer des Möttbaches, das deutlich stärker durchfeuchtet und daher schwerer begehbar ist, als der bisherige Haupt-Wuchsplatz auf der großen Glatthaferwiese am gegenüberliegenden Möttbach-Ufer am Nordwest-Ende des NSG.


Wie schon erwähnt, beheimatet die Große Glatthaferwiese auch dutzende andere bemerkenswerte Pflanzenarten der typischen Pflanzengesellschaften von Feuchtwiesen und Gewässerufern. Gleichzeitig mit den Orchideen blüht hier und ist wegen ihrer filigranen, fein gefiederten Blüten besonders schön anzusehen die Kuckucks-Lichtnelke Lychnis flos-cuculi. Früher mit dem wissenschaftlichen Namen Silene flos-cuculi bezeichnet, trägt das besonders auf Feuchtwiesen zu findende Nelkengewächs auch noch die Namen Donnerblume oder Ragged Robin. Der Pflanze werden in der Volksmedizin heilende Eigenschaften zugeordnet. Ihr Name stammt vermutlich von ihrer Blütezeit während der Haupt-Rufaktivitätsphase des Kuckucks-Vogels.



Lychnis flos-cuculi (Kuckucks-Lichtnelke) wächst und blüht zusammen mit den Orchideen im NSG Moettbachtal.



Ebenso am selben Standort blüht Mitte Mai mit schönen, tiefblauen Blüten der Gamander Ehrenpreis Veronica chamaedrys aus der Familie der Wegerichgewächse PLANTAGINACEAE. Seine weiteren deutschen Namen sind Augentrost, Frauenbiss, Männertreu und Wildes Vergissmeinnicht. Auch als "Gewitterblümchen" bezeichnet man ihn im Volksmund, da sein Pflücken angeblich Gewitter auslösen soll. Im Vergleich zu den bisher beschriebenen Pflanzenarten muß man aber aufmerksam nach den Blüten dieser krautig wachsenden Blütenpflanze suchen denn sie sind winzig und leicht übersehbar.



Veronica chamaedrys (Gamander-Ehrenpreis) am 23. Mai 2015



Benachbart und besonders in der Nähe des Ufers des kleinen Fließgewässers findet man die Schlangenwurz (oder: Schlangen-Knöterich) Polygonum bistorta. Sein ursprünglicher lateinischer bzw. wissenschaftlicher Artname lautete Bistorta officinalis, was auf die medizinische Verwendung dieser Pflanze hinweist. Grund hierfür war die Schlangenkörper-Ähnlichkeit der gewundenen Wurzel der Pflanze, was in der sogenannten Signatur-Lehre zum Glauben führte, daß man Schlangenbisse mit Wurzelextrakten dieser Pflanze heilen könne. Darauf deutet auch der regional im Harz und Sachsen gebräuchliche Artname "Otterzunge" hin. Auch Nahrungsmittel wurden aus Pflanzenteilen der Schlangenwurz zubereitet. So sind ihre Blätter als Spinat-, Salat- oder Gemüse-Ersatz bekannt, aus der Wurzel wurde entweder Tee gekocht oder sie wurde gekocht oder gebraten verzehrt, wozu sie zuvor über Nacht in Wasser eingelegt wurde.




Schlangenwurz (Polygonum bistorta / Bistorta officinalis)


Unmittelbar am Gewässerufer bzw. im Wasser des Moettbaches finden sich ausgedehnte Bestände der Gelben Schwertlilie Iris pseudacorus, die im Juni leuchtend hellgelbe, weithin sichtbare große Blüten entfalten. Zum Zeitpunkt des Besuches in der dritten Mai-Dekade 2015 standen die Wasser-Pflanzen kurz vor der Entfaltung ihrer ersten Blütenstände. Der lateinische Artname pseudacorus (Pseudo-Kalmus) deutet auf die Medizinalwirkung der Pflanze hin, die früher zur "Verfälschung" der in der asiatischen Heilkunde verwendeten und aus einem Aaronstab-Gewächs gewonnenen Kalmus-Droge  verwendet worden ist. Alle Pflanzenteile der Gelben- oder Sumpf-Schwertlilie werden als "giftig" betrachtet, insbesondere die Wurzelrhizome des Gewächses. Ausgedehnte Schwertlilien-Bestände wachsen im NSG desweiteren in den Dauerüberflutungsflächen des Auwaldes.




Gelbe Schwertlilie (Iris pseudacorus) kurz vor ihrer Blüte



Ursprünglich den Rachenblütlern bzw. Braunwurzgewächsen (Scrophulariaceae) zugeordnet betrachtet man den Kleinen Klappertopf Rhinanthus minor heute als Pflanze der Familie Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae). Die Pflanze trägt ihren deutschen Namen wegen der Verwendung der getrockneten Samen in den Fruchtkapseln als Rasseln. Ihre beschriebene medizinische Wirksamkeit bezieht sich hauptsächlich auf die Symptom-Linderung von Asthma, trockenem Husten und Katarrh. Im spanischen und englischen Sprachraum ist sie als "Hahnenkamm" benannt.



Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor)



Zu erwähnen bleibt an dieser Stelle noch ein kleines Rohrkolbengewächs der Gattung Sparganium (Igelkolben), das bisher nur isoliert an einer einzigen Stelle der dauerfeuchten Sumpfwiesen gefunden werden konnte. Vermutlich handelt es sich um Sparganium natans, den Zwerg-Igelkolben. Der Igelkolben wurde im Februar 2005 bei der ersten CID-Exkursion in das Schutzgebiet registriert. Ob es sich bei der hier im folgenden abgebildeten Pflanze aber um einen angewachsenen Fruchtstand des bereits verblühten Rohrkolbengewächse oder um den sehr ähnlich aussehenden Fruchtstand der Sumpfdotterblume wäre noch zu überprüfen.


Zwerg-Igelkolben (Sparganium natans) oder Sumpf-Dotterblume (Caltha palustris) ?




Die Sumpf-Dotterblume Caltha palustris ist die Charakterart der Pflanzengesellschaft Sumpfdotterblumenwiesen (Calthion palustris - Verband der Molinietalia: Feucht-, Nass- und Streuwiesen). Im Schutzgebiet wird dieser Vergetationsverband als hier "artenreichste Pflanzengesellschaft von besonderer Bedeutung" angesehen. Caltha palustris blüht intensiv und auffällig gelb. Die sattgelbe Blütenfarbe wirkt offensichtlich positiv psychostimulierend auf viele Menschen, insbesondere auf Kinder, und löst beim Anblick unbewußt Freude aus. Schon aus diesem Grunde wurde der Sumpf-Dotterblume in der Volksmedizin Heilwirkung zugeschrieben. Dies führte auch zur Anwendung der Blüten als Medikament gegen Hepatitis (Gelb-Sucht).


Sumpf-Dotterblume Caltha palustris



Ein weiterer volkstümlicher Name - Butterblume - weist darauf hin, daß die Blüten von Milch-Viehzüchter in dem Glauben an ihre Tiere verfüttert wurden, daß dadurch eine intensivere, gelbe Einfärbung der Butter zu allen Jahreszeiten zu erreichen sei. Ebenso wurden ihre Blüten zur Hexenabwehr in der Walpurgiszeit vor den Viehställen ausgelegt. 

Trotz ihrer bekannten Giftigkeit - der Verzehr von Pflanzenteilen von Caltha palustris soll Schwindel und Erbrechen auslösen können - wurde aber trotzdem die Knospen der Blume vor dem Erblühen geerntet und als Ersatz für Kapern-Früchte verwendet. Dieser Kapernersatz war als "Deutsche Kapern" bekannt. Ihr Verzehr soll aber ebenfalls von entsprechenden Symptomen begleitet gewesen sein. Bekannt ist weiterhin die Verwendung von Pflanzenteilen zum Färben von Wein und Essig.


                   
Sumpf-Dotterblume Caltha palustris im Schutzgebiet Moettbachtal


Tatsächlich ist, wie diese letzte hier gezeigte Abbildung der Exkursion in das Naturschutzgebiet eindrucksvoll zeigt, der Anblick der leuchtendgelben Blüten dieser Pflanze im Kontrast zum kargen, durchnässten und dunklen Frühjahrs-Feuchtgebietsaspekt ein wohltuender Kontrapunkt an welchem man sich als Naturkundler gerne festhält und so von der noch tristen Umgebung ablenken läßt.


















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