Donnerstag, 8. Januar 2015

Entdeckung eines bisher undokumentierten Raubvogel-Verhaltens : Milane verzehren ihre Beute im Flug in großer Höhe
Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger / CID Institut Weilmünster 4. Juli 2016


Recht unterschiedlich ausgeprägt sind Räuber-Beute-Beziehungen bei Raubvögeln. Alle Vögel dieser Artengruppe sehen sehr gut, sowohl spähend, von erhöhten Ansitzwarten aus, oder aber auch in schneller Bewegung aus dem Flug heraus und sind in der Lage, kleinste Beutetiere über große Distanz hinweg zu orten, zu lokalisieren, gezielt anzufliegen und zu fangen. Mit Ausnahme der Geier, die die Nähe des Menschen nicht nur nicht scheuen sondern sogar suchen, denn sie ernähren sich unter anderem auch von anthropogenen Abfällen, so daß man sie oft in großen Gruppen am Boden sitzend an ihren Futterplätzen oder Beutetieren beobachten kann, vermeiden es fast alle anderen Raubvögel, während ihrer Nahrungsaufnahme beobachtet zu werden. Diese fast ausschließlich lebende Beutetiere jagenden Raubvögel landen meist nur kurz und direkt beim sogenannten "Schlagen" ihres Opfers am Boden und tragen das gefangene Tier dann sofort in eine, zumeist erhöht liegende Ruhezone oder in das Nest, wo das Beutetier verzehrt oder an die Jungvögel verfüttert wird. 

In landwirtschaftlich geprägten Gegenden kann zur Zeit der Ernte nach dem Abmähen von Getreidefeldern das Phänomen beobachtet werden, daß sich größer Gruppen von Raubvögeln über den frisch abgemähten Äckern ansammeln um dort die nun ungeschützten und gut sichtbaren Kleinsäugern (Mäusen) zu jagen beginnen. Dazu verweilen sie auch bisweilen gelandet und am Boden wartend in Erwartung der in großer Zahl aktiven Beutetiere, die auf der Suche nach zurückgebliebenen Getreidekörnern an der Erdoberfläche herumlaufen. In Weilmünster-Laubuseschbach wurden so im September 2009 auf abgeernteten Maisäckern nordwestlich der Windkraftanlagen neben Bussarden ein Schwarm Milane bestehend aus 30-40 Vögeln beobachtet, die relativ kleinräumig gemeinsam nach Nahrung suchten. 






Schwarzmilan (Milvus migrans) mit Beutetier (Wühlmaus) beim Abflug vom Fangplatz im Tiefflug
Essershausen - Wiesen am Weiltalradweg / 18. Mai 2015



Vermutlich ist es abhängig von der Größe eines Beutetieres und der Struktur des Beute-Fangplatzes, was der Raubvogel nach dem Ergreifen seiner Beute unternimmt. Kleintiere werden vermutlich sofort verschluckt, größere Tiere sofort weggetragen. Durch den Wegflug entzieht sich der Raubvogel beim Verzehren der Beute der weiteren Beobachtung, insbesondere weil er zur Nahrungsaufnahme sichtgeschützte Plätze aufsucht. 

Wenig bekannt und vermutlich kaum dokumentiert ist die Tatsache, daß Milane nach dem Ergreifen der Beute sich sofort aufwärts schwingen und unter Ausnutzung von Aufwinden kreisend fliegend in große Höhe aufsteigen, wo sie in aller Ruhe und ungestört von anderen attackierenden Vögeln mit dem Verzehr der Nahrung beginnen können. Dieses Verhalten ist fotografisch wenig dokumentiert und gerät erst seit der Existenz von Kameras mit Teleobjektiv-Brennweiten, die Hochdistanzaufnahmen mit Detailabbildungsqualität erlauben, in den Fokus des Interesses von Naturstudierenden. Die Raubvögel halten dabei das Beutetier in den ausgestreckten Krallen und biegen den Kopf nach rückwärts unten unter ihre Brust, wo sie beginnen, mit dem Schnabel die Beute zu zerteilen.



Rotmilan (Milvus milvus) beim stetigen "In die Höhe schrauben" beginnt mit dem Zerlegen seiner Beute im Flug
Weilmünster - Lorbeerkrone / 15. April 2015






Rotmilan (Milvus milvus) beim Beute-Zerlegen im Flug
Weilmünster - Lorbeerkrone / 16. April 2015










Rotmilan (Milvus milvus) beim fliegenden Verzehren einer Ratte
Weilmünster - Lorbeerkrone / 10. Juni 2016






Schwarzmilan (Milvus migrans) beim Auftransport eines großen Beutetieres (Kaninchen) in große Flughöhe
Weilmünster - Ortsmitte / 2. Juli 2016





Das Hochfliegen mit der Beute in den Krallen ist dabei kein durchdachtes Verhaltensmuster des Raubvogels, sondern unterliegt vermutlich einem angeborenem Steuerungsmechanismus, der nach einem bestimmten Signalreiz eine vorbestimmte Verhaltenskette auslöst (AAM). Dies führt dazu, daß nach "Fehlfängen", wenn also die Beute beim Schlagen am Boden entkommen kann und der Vogel nur Umgebungsmaterial (Grasbüschel, Pflanzenreste) in den Krallen abtransportiert, trotzdem das kreisende Steigflugverhalten und des Aufsteigen in große Höhe eingeleitet und durchgeführt wird, ohne daß der Raubvogel währenddessen "checkt", ob die in den Klauen davongetragene Beute auch der persönlichen Erwartung entspricht oder, ob es sich wie im folgenden dokumentierten Fall, nur um einen Büschel trockenes Gras handelt.







Schwarzmilan (Milvus migrans) transportiert nach Fehlfang einen Grasbüschel statt des Beutetieres in große Flughöhe
Weilmünster - Lorbeerkrone / 2. Juli 2016
















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