Donnerstag, 8. Januar 2015

Silberreiher im Weiltal bei Weilmünster
Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger / CID Institut 8. Januar 2015

Seit längerem schon sammeln sich im Weiltal Berichte von Sichtungen eines scheuen, weißen Vogels, der mit Sicherheit kein Storch sei aber ähnlich wie dieser Vogel langsam suchend in Feuchtwiesen  steht oder herumwatet und der eindruckswoll "Feenartig" mit sanften Flügelschwingungen fliegt und dabei bisweilen mysthische Beunruhigung erzeugt. Solcherlei bringt Ethnobiologen schnell zum Schmunzeln, denn daß die Landbevölkerung "den Storch" wie das Weihwasser fürchtet, ist verständlich. Sich aber vor der zoologischen Rarität einer Silberreiher-Beobachtung zu fürchten, das ist für Biologen schwer nachvollziehbar.

Nun aber Spaß bei Seite, heute weiß jedes Kind, daß das Märchen vom Baby herbeitragenden Storch ein Mythos ist, dessen Symbolik im Volkstum immer seltener verwendet wird.  Silberreiher in Deutschland zu sehen wird seit spätestens Anfang der 90er Jahre auch nicht mehr als etwas Außergewöhnliches eingeschätzt. Als "eigentliche Europa-nahe Brutgebiete" dieser Vögel betrachten Zoogeographen die Türkei, Kurdistan und Irak, Ukraine, Georgien und Kasachstan sowie Albanien und Montenegro. Von dort, so klären ornithologische Fachbücher auf, wandern die Vögel ab dem Monat März "zu Streifzügen" auch in andere Gebiete Europas ein. Insgesamt sei die Vogelart Silberreiher aber "ein Kosmopolit", was bedeutet, daß sie weltweit verbreitet ist.


Silber-Reiher (Ardea alba, auch Casmerodius albus)
am 5. Januar 2015 frühmorgens in der Weilaue bei Winden / Utenhof


Verwechseln könnte man den Silberreiher am ehesten mit dem sehr ähnlich aussehenden Seidenreiher (Egretta garzetta). Im Gegensatz zum eher gelbschnabeligen Silberreiher trägt dieser ebenfalls schneeweiße Vogel einen graugefärbten Schnabel und ist zusätzlich durch sogenannte Schmuckfedern am Hinterkopf gekennzeichnet. Ansonsten teilen beide Arten dieselben Nistregionen und zeigen ähnliches "Zug-, Nist- und Ernährungs-Verhalten". Eine sichere Unterscheidung bei Geländebeobachtungen aus größeren Entfernungen ist somit schwer zu treffen.

Für Hessen verzeichnete die Rote Liste bedrohter Vogelarten von 1997 weder den Silberreiher noch den Seidenreiher. Grund hierfür war, daß man diese Arten nicht als Brutvögel sondern "nur" als Durchzügler oder Nahrungsgäste betrachtete. Auch heute noch sind Verbreitungskarten des Silbereihers, wie sie beispielsweise der NaBu führt, nur spärlich mit Sichtungsvermerken in Hessen gefüllt, was auf eine starke Zurückhaltung der Bevölkerung in Hinblick auf Meldungen von Beobachtungen dieser Vogelart hindeutet.


NaBu-Verbreitungskarte Silberreiher Hessen 2014


Ethnozoologisch gesehen deuten der Beunruhigung auslösende Mythos, mit welchem die Vögel besetzt sind, sowie die "Geheimhaltung" von Sichtungen auf die bedauerliche Geschichte des Schicksales dieser wunderschön anzusehenden, graziösen Vogelart hin, welche im Verlauf des 19. Jahrhunderts wegen der hohen Nachfrage nach Schmuckfedern dieser Vögel für die Damenmode sehr gejagt wurde und fast vollständig ausgerottet worden war. Auch die äußerliche, figürlich Ähnlichkeit des Silberreihers mit dem "HAMA"-Vogel Kleinasiens und Afrikas, dem wie vielen anderen Schreitvogelarten wegen seinen "Schlangenhalses", seinen schwingenden Flügelschlägen, seiner schnee-weißen Farbe, dem "nadelspitzen" Schnabel, dem schlanken Körperbau und dem menschenähnlichen Gang von abergläubischen Personen Zauberkräfte nachgesagt wurden, mag zu seiner Bejagung aus Furcht beigetragen haben. Nicht unwahrscheinlich ist auf jeden Fall, daß der weiße Reihervogel im Bezug zum "Quetzalcoatl" der zentralamerikanischen Mythologie steht, der im deutschen Sprachraum auch als "gefiederte Schlange" bezeichnet wird.

Die Nahrung der weißen Reiher besteht aus Fischen, Amphibien, Reptilien, Insekten, Mollusken, Würmern, kleinen Säugetieren und Jungvögeln anderer Vogelarten. Dies bedingt, daß sie zumeist auf Feuchtwiesen, in Flußauen, Sumpf- und Schilfgebieten und an Gewässerufern zu beobachten sind. Zwischen den Nistplätzen und den zur Nahrungssuche angeflogenen Habitaten können 10-20 Kilometer Distanz liegen. Als Nistplatz benötigen die Vögel größere, ruhigem von Menschen ungestörte Röhrichte. Die heutzutage leider sehr reduzierte Zahl solch geeigneter Nistgebiete ist der Grund für die nur sehr, sehr langsame Wiederausbreitung der einstmals hier ausgerotteten Vogelart.



Silberreiher steigt zur Nahrungssuche in einen Auwiesengraben
5. Januar 2015 Winden Weiltalaue



Die Anwesenheit eines Silberreihers Anfang Januar 2015 im Weiltalabschnitt zwischen Weilmünster und Weilrod deutet darauf hin, daß diese Vogelart mittlerweile auch in dieser hessischen Landschaft wieder heimisch ist, brütet und überwintert. Bisherige Sichtungen dieser Vögel im Weiltal und Möttbachtal bezogen sich zumeist auf die Sommermonate in Form von Einzelbeobachtungen, so daß davon ausgegangen wurde, daß es sich um Einzelexemplare auf Nahrungs- oder Brutplatzsuche, nicht aber um Brutvögel handelte. Nächste bekannte Gebiete mit Dauerpräsenz von Silberreihern liegen in der Wetterau und im Raum Marburg an den großen, bekannten Wasservogelschutzgebieten und Kranich-Rastplätzen (z.B. Bingenheimer Ried bei Reichelsheim), so daß bisher vermutet wurde, daß die bei Weilmünster gesehenen Vögel von dort spontan einwanderten.


Silberreiher überquert fliegend Weiltalaue am Utenhof / Foto CID Nature Studies 5. Januar 2015


Frühere Silberreiher-Beobachtung in Frühlingsmonaten im Möttbachtal bei Weilmünster. 
Foto CID Nature Studies 2. Mai 2013


Für die Landschaftspflege, den Naturschutz und die Feuchtgebietsbewirtschaftung durch die Landwirtschaft bedeutet dies, daß die Entstehung größerer, unangetasteter Ruhezonen um die bisher existierenden, potentiellen Nistflächen für eine Vergrößerung des Silberreiherbestandes förderlich wäre. Auch die künstliche Anlage von Röhrichten, wie beispielsweise durch die Weilrenaturierung am Ortseingang Weilmünsters auf Höhe des Sanatoriums geschehen, könnte geeignete Bruthabitate für diese Vogelart erschaffen, doch wäre dabei ein größerer Abstand zu Siedlungen, Verkehrs- und Wanderwegen und Bewirtschaftungsflächen einzuhalten.


Silberreiher aus der Reiherkolonie am Bingenheiner Ried bei Reichelsheim
Foto CID Nature Studies 15. März 2014


Räumliche In-Bezugsetzung der Silberreiher-Verbreitungsgebiete in Mittelhessen:
Weiltal (linker Sattelitenbildrand) Wetterauer Feuchtgebiete (rechter Rand).
Die Distanz zwischen Winden und Reichelsheim beträgt Luftlinie 35 kms.
Luftbild Quelle : Wikimapia






 

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