Montag, 4. Juli 2016

"The PEARLS of PROCESS (PP)". Anmerkungen zum "Justizfisch" Trichiurus lepturus (Degenfisch, Haarschwanz, Hairtail, Sabre, Sable) aus der Barschartigen-Familie TRICHIURIDAE.

Dipl Biol. Peter Ulrich Zanger, CID Institut Weilmünster, 22. September 2016



Lesen Sie eine weiterführende, überarbeitete Version dieses Artikels als Risikostudie vom 3.10.2016





Wohl jeder hatte in seinem Leben irgendwann einmal eine Liebesprobe zu bestehen. Bei einer Liebesprobe werden die Probanden meist unsichtbaren Aufgaben gegenübergestellt oder unbekannten Gefahren ausgesetzt, die sie zu bewältigen haben. Übersteht der Geprüfte unbeschadet den Test, so gilt dies als Beweis für die Reinheit seiner Gefühle gegenüber der Angebeteten und das Paar darf sich weiterhin bedenkenlos Vertrauen schenken.


Je nach Kulturkreis werden die zu Prüfenden anders gearteten Gefahren ausgesetzt, je nach kulturellem Prüfungskonzept sind die dabei einzugehenden Risiken mehr oder weniger lebensgefährdend. Noch nicht allzu lange ist es her, das Verliebte auf dem Lande durch die Wälder streiften und beim Genuss von Tollkirschen und Einbeeren überprüften, wie es denn um die Gefühle des anderen bestellt sei. Nicht seltener werden Jünglinge ins Haus junger Damen eingeladen, durch den Garten geführt in welchem Bärlauch und Maiglöckchen, Petersilie und Schierling in stiller Eintracht nebeneinander herwachsen und müssen dann einen Maibowlen-Begrüßungstrunk oder einen von der Gastgeberin selbst zubereiteten, frischen Salat vor deren wachsamen Augen verzehren, ohne dass sie auch nur ein Tröpfchen davon trinken oder ein Blättchen davon anrühren würde. 

In anderen Ländern und in größerem Rahmen sind die Überraschungskuchen "PASTEL SORPRESA" bekannt. Dabei wird bei Feiern im Familienrahmen dem Neuankömmling ein Kuchen vorgesetzt in welchem ein, zwei oder mehrere, meist schwer zu zerbeissende Überraschungskerne eingebacken sind. Je nach Grundsituation und Fragestellung dient das Auffinden der Überraschungen und die vom Finder erlitttenen Folgen zur Klärung wichtiger, meist zuvor im Geheimen im Familienkreis gestellter Fragen. Diese schon komplexere mystisch-juristische Verfahrenstechnik bildet die Überleitung zur sogenannten Hexenprobe, bei welcher die untersuchte Frau gefesselt von einem "Ley"-Felsen in einen Fluss geworfen wurde. Tauchte sie wieder an der Oberfläche auf, war das der Beweis für ihre Hexenkraft.

Ähnlich wie eine Einladung zu einem PASTEL SORPESA kann der Besuch eines Fischrestaurantes verlaufen, in welchem man einen gebratenen SÄBELFISCH vorgesetzt bekommt.



Beissresistente Kapseln unbekannter Genese und Portions-Grätenstücke vom SÄBELFISCH (Trichiurus lepturus). 
Die Kapseln befanden sich eingebettet im Muskelfleisch von insgesamt 7 Portionsstücken des Fisches ohne erkennbare Verwachsung mit den Gräten.




Trichiurus lepturus - Portionsstücke wie sie im Fischfachhandel in manchen Geschäften tiefgefroren und unfiletiert zu finden sind. Die abgebildeten Fischstücke wurden vor Surinam gefangen, am 5.7.2016 portioniert, tiefgefroren und verpackt, am 13.9.2016 in Frankfurt am Main (Deutschland) gekauft und zwischen dem 14. und 18.9.2016 durch Anbraten zubereitet. 


In deutschen Gewässern, also in Nord- und Ostsee ist der Fisch unbekannt. Die nächsten Fanggründe liegen von der Bretagne südwärts und rund um die Iberische Halbinsel, so dass der Fisch vor Erfindung des Kühltransportes nur Reisenden nach Westfrankreich, Portugal und Spanien bekannt geworden sein kann. Ansonsten sind die auch SABLE, SABRE, DEGENFISCH, HAARSCHWANZ, HAIRTAIL, CUTLASSFISH oder mit anderen Synonymen benannten BARSCHARTIGEN (Perciformes) in allen wärmeren Gewässern weltweit verbreitet und werden, insbesondere nachdem über die jahrhundertelangen Bemühungen und Studien der europäischen West- und Ostindien-Kompanien bekannt wurde, dass sie in Ostasien beliebte und wertvolle Speisefische sind, auch tiefgefroren nach Europa bzw. nach Deutschland importiert.

Der SABLE ist ein Raubfisch und von ähnlicher Gestalt wie der weitaus bekanntere BARRACUDA aus der verwandten Familie der Sphyraenidae (Pfeilhechte), aber deutlich schlanker gebaut und mit weniger Körpermasse ausgestattet. Die Familie der HAARSCHWÄNZE (Trichiuridae), welcher die Art Trichiurus lepturus angehört, umfasst die Gattungen APHANOPUS (7 Arten), BENTHODESMUS (11 Arten), ASSURGER (1 Art), EUPLEUROGRAMMUS (2 Arten),   EVOXYMETOPON (4 Arten), LEPIDOPUS (6 Arten), DEMISSOLINEA (1 Art), LEPTURACANTHUS (3 Arten), TENTORICEPS (1 Art) und TRICHIURUS (11 Arten).   

Bevorzugter Lebensraum der Säbelfische ist der schlammige Grund niedriger Küstengewässer von wo aus die Fische bis in die Ästuar-Region (Brackwasserzone, Übergang von Süss- zu Salzwasser) vordringen. Dort jagen sie hauptsächlich nach Euphausiiden - kleinen, planktonischen Krebsen - und kleinen Fischen. Die adulten Tiere jagen tagsüber Oberflächennah und ziehen sich über Nacht auf den Meersgrund zurück. Die durchschnittliche Körperlänge beträgt ca. 100 Zentimeter bei einem Maximalwert von 234 cm, das Durchschnitts-Fanggewicht liegt bei 1,5-3,5 kg, das Maximalgewicht bei 5 kg.

Über Zucht, Haltung oder Vermehrung von Trichiurus lepturus in Aquakulturen zu kommerziellen oder wissenschaftlichen Zwecken sind im Internet keinerlei Literaturdaten verfügbar. Interessant wären technische Zucht- und Haltungserfahrungen zur Klärung der nachfolgend ausgeführten Frage der Genese von pathogenen Skelettwucherungen und deren hypothetischem Zusammenhang mit parasitären Einwirkungen oder gar Entwicklungsstadien von Fischparasiten unbekannter Natur.

Die Fischereidatenbank www.fishbase.com listet für Trichiurus lepturus 5 bekannte parasitische Infektionen. Nach dem World Register of Marine Species (WoRMS) ist dieselbe Fischart als Wirt von mindestens 20 verschiedenen Ekto- und Endoparasiten bekannt. 

Die Fishery & Aquaculture-Datenbank der FAO benennt desweiteren häufige, exzessive Wucherungen supraoccipitaler, interhaemaler und interneuraler Fisch-Knochen (sogenannte "Ossifikationen") bei Säbelfischen aus "INDISCHEN GEWÄSSERN". 
  
FC Lima, APM Souza, EFM Mesquita, GN Souza und VCJ Chinelli beschreiben für Trichiurus lepturus mit ihrer Publikation vom 21. Januar 2002 im Journal of Fish Diseases die Ergebnisse radiologischer Untersuchungen von "tumours" bzw. "Osteomas" genannten, abnormalen Knochenbildungen an 55 Fischen aus der Bucht von Niteroi. Zuvor waren bereits 1940 von Korschelt, 1960 von James, 1965 von Gaevskaya und Kovaleva und 1971 von Olsen ähnliche Knochenwucherungen an den Trichiuriden Lepidopus caudatus und Trichiurus lepturus untersucht und beschrieben worden. 

In der wohl neuesten wissenschaftlichen Publikation zum Thema der kapselförmigen Wucherungen an Trichiuriden-Fischgräten beschreiben und illustrieren die Wissenschaftler der Fakultät für Veterinärmedizin der Universität Messina (Sizilien), Filippo GIARRATANA, Anna RUOLO, Daniele MUSCOLINO, Fabio MARINO, Michele GALLO, und Antonio PANEBIANCO in der ACTA ICHTHYOLOGICA ET PISCATORIA (2012) 42 (3): 233–237 die merkwürdigen Knochenbildungen in ihrem Artikel :  OCCURRENCE OF HYPEROSTOTIC PTERYGIOPHORESIN THE SILVER SCABBARDFISH, LEPIDOPUS CAUDATUS(ACTINOPTERYGII: PERCIFORMES: TRICHIURIDAE). Dabei kommen sie zu der Schlussfolgerung, dass die Hyperosotosen an den Fischgräten für den Konsum der Fische durch Menschen unschädlich sind und höchstens zu Störungen beim Filetieren der Fische oder zu Schäden am Filetiermesser führen könnten. 

Fast könnte man meinen, sich nun beruhigt zurückneigen und mit geschlossenen Augen gedankenverloren die schmackhaften Fischfilets geniessen zu können, doch haben Doktor Giarratana und seine Kollegen übersehen, daß Trichiurus lepturus nicht notwendigerweise filetiert zubereitet wird und somit die steinharten "Hyperostotischen Pterygiophoren" vom Tranchiermesser unbemerkt und unberührt im Inneren der Fisch-Portionsstücke in die Bratpfanne gelangen könnten, so daß der Konsument diese dann zusammen mit der Beilage und versteckt in dieser als Leckerbissen in den Mund schiebt und zubeisst. Spätestens dann entstünde ein erstes Problem, nämlich das der Frage, ob die Zähne des Fischgeniessers oder die Schale der gewucherten Fisch-Knochenkapsel resistenter sind. Somit wären wir bei der vorliegenden Betrachtung an dem Punkt angelangt, an welchem ein Vergleich zwischen dem PASTEL SORPRESA und dem TRICHIURIDEN hergestellt werden könnte. Vorbei die Zeiten von Waldwanderungen zu Hexenpflanzen und Kuchen&Kaffeekränzchen am Familientisch - die Geliebte führt ihren Anbeter ins Fischrestaurant, bestellt HAARSCHWANZ oder SÄBELFISCH für ihn und schaut ihm zu, ob er fündig wird oder nicht. Der Fisch als Richter, das Restaurant-Essen ein Justizakt.

Doch wäre es oberflächlich, leichtsinnig und unverantwortlich bei diesem Aspekt der Betrachtung von Trichiurus lepturus und seinen "Hyperostosen" das Kapitel der Fragestellungen zu beenden. Merkwürdig an den abnormalen Knochenwucherungen ist nämlich, dass sie in vielen Fällen absolut identisch aussehen, was nicht auf ein Tumorwachstum oder ein durch Knochenbruch induziertes Heilungswachstum nach Verletzung an einer Gräte hinweist. Letztere würden zu spontanen Auswüchsen führen die jedesmal anderer Gestalt wären. Die beobachteten, beschriebenen und abgebildeten Knochenkapseln haben jedoch in vielen Fällen eine immer wiederkehrende, gleiche Form, folgen also bei ihrer Entstehung und Wachstum einem (genetisch ?) vorgegebenen Bauplan. Ähnliches kennen wir aus dem Pflanzenreich, beispielsweise bei den Gallwespen, die ein Blatt anstechen in welches sie ein Ei ablegen und eine Tumorwachstum auslösende Substanz injiziieren. Die von der Pflanze gebildete Wucherung, die Galle, bildet einen Schutzpanzer für die Entwicklung des Gallwespen-Eies, das nach Vollendung seiner Entwicklung zum adulten Insekt die Schutzhülle verlässt. Ein ähnliches System machen sich viele Fischparasiten zu Nutze, deren Entwicklungsstadien vorübergehend innerhalb von Zysten stattfinden, die zumeist im Muskelfleisch von Fischen eingebettet sind. Die Frage, ob die Knochenwucherungen der Fischgräten auf Grund der Einwirkung von Fischparasiten entstehen und sich im Inneren der Grätenkapseln Dauerstadien von beispielsweise Nematoden entwickeln wird in der Publikation aus dem Jahre 2012 nicht angesprochen. Ebensowenig nimmt die italienische Forschergruppe Stellung zur Frage, was passiert, wenn ein Fischkonsument versehentlich eine Kapsel verschluckt.

Letztere grundsätzlich nicht wünschenswerte Hypothese wird leider durch Kapselfunde in Trichiurus lepturus in einer Packung gefrorenen Speisefisches, welche am 13.9.2016 in Frankfurt gekauft wurde, neu aufgeworfen und bestärkt. Die aus dem Fisch nach der Zubereitung hervortretenden Kapseln waren in keinem Fall direkt mit einem Grätenstrahl verbunden, hatten sich also entweder aufgrund fortgeschrittener Entwicklung von den Fischknochen abgelöst oder waren in Folge der Hitzeeinwirkung beim Braten von den Gräten abgefallen. Von insgesamt 6 aus ca. 400 Gramm Fischportion gesicherten Kapseln mit relativ gleichförmigem Aussehen unterscheidet sich zudem 1 Kapsel durch auffällige, Verpuppungs-Kokon-ähnliche Form. Eine Kapsel wurde aufgebrochen, um den Innenraum zu untersuchen, die verbliebenen Stücke sind hier im Folgenden fotografisch dokumentiert.      



Aus Trichiurus lepturus nach Braten isolierte Hart-Kapseln unbekannter Genese und Struktur




Aus Trichiurus lepturus nach Braten isolierte Hart-Kapsel unbekannter Genese und Struktur mit auffällig symmetrisch geformtem Kopfteil





Aus Trichiurus lepturus nach Braten isolierte Hart-Kapsel unbekannter Genese und Struktur mit auffällig symmetrisch geformtem Kopfteil, das interessanterweise an einen Helminthen-Kopf erinnert.





Aus Trichiurus lepturus nach Braten isolierte Hart-Kapseln unbekannter Genese und Struktur mit Verpuppungs-Kokon ähnlicher Form




Aus Trichiurus lepturus nach Braten isolierte Hart-Kapseln unbekannter Genese und Struktur mit Verpuppungs-Kokon ähnlicher Form





Aus Trichiurus lepturus nach Braten isolierte Hart-Kapseln unbekannter Genese und Struktur mit Verpuppungs-Kokon ähnlicher Form





Aus Trichiurus lepturus nach Braten isolierte Hart-Kapseln unbekannter Genese und Struktur





Im Fleisch von Trichiurus lepturus nach Braten eingebettete Hart-Kapsel unbekannter Genese und Struktur. Zum Vergleich daneben eine zuvor aus einem anderen Fischportionsstück isolierte und gereinigte Kapsel.



Vom CID Institut wurde eine Recherche zur Herkunft der spezifischen Fischlieferung sowie zur Feststellung der Gesamtimportmenge und -quellen von Trichiuriden nach Deutschland eingeleitet sowie eine Lebensmittelwarnung verfasst.





Nachtrag vom 23. September 2016

Eine Röntgenuntersuchung von 5 verbliebenen Portionsstreifen aus dem am 13.9.2016 in Frankfurt gekauften Tiefkühlpaket der Marke CARIBBEAN PEARLS ergab, daß sich in einem weiteren, bisher nicht zubereiteten Fischstück eine weitere Verkapselung befindet. Damit steigt die Zahl der in der 1 kg-Packung gefundenen Kapseln auf insgesamt 9. Die natürlich Lage der Kapsel ist auf der Ventralseite des Fisches am unteren Körperrand. Eine Verwachsung mit einem Grätenstrahl ist nicht exakt erkennbar. Somit ist weitestgehend ausgeschlossen, dass es sich bei den hier dokumentierten Kapseln um dieselben "hyperostotischen" Bildungen handelt, die im Artikel von Dr. Giarratana et. al in der ACTA ICHTHYOLOGICA ET PISCATORIA (2012) 42 (3): 233–237 ebschrieben werden.


Röntgenaufnahme eines Portionsstückes von Trichurus lepturus mit deutlich erkennbarer Verkapselung am ventralen Körperrand des Fisches.












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